Meine allerersten Texte

*

Lang, lang ist's her, aber zum Glück habe ich alles aufgehoben und kann es nun für dich zum Besten geben.

*

 Einkaufen

 

Die Straße ist wie immer, die Leute sind’s auch, nix los.

Doch, da ist was!

Ein schmächtiger Junge kommt mir entgegen, zehn Jahre alt, schätze ich. Er ist noch ein Stück entfernt und ich habe Zeit, ihn zu beobachten.

Er trägt ein kleines Mädchen, das sich an ihn klammert wie ein Äffchen. Seine Hände stützen den Po. Er läuft ganz beschwingt und trägt das Kind wie eine Feder, aber es ist keine, bestimmt schon vier Jahre alt und ganz schön mollig.

Wo nimmt er die Kraft her?

Ich schau in sein Gesicht; strahlende Augen und Zufriedenheit, die nicht zu beschreiben ist. Nicht die Spur von Anstrengung.

Die Begegnung ist vorbei, doch mein Kopf gehört nicht mehr mir und dreht sich von allein um.

Molly - so habe ich das Mädchen getauft - grinst mich selig an und da erwische ich doch einen Zipfel der Energie, die aus dem Nichts zu kommen scheint.

Aber ich habe keine Zeit, muss einkaufen.

 

Gleich heute

 

Mein Körper, du mein behaarter Superroboter quietscht und knarrst ein wenig.

Ja ja, du etwas zu klein geratene Übermaschine aus Fleisch und Blut hast recht; bin selber schuld.

Verzeih, dass ich dich zu wenig gewartet habe.

Ich weiß, ich weiß, bist immer zuverlässig und über Krankheitshürden springst du kurzerhand hinweg.

Na klar mein Freund, ich werde mich bessern, werde sie beachten die verlässlichen Signale deiner Sensoren.

Was?

Elastisch möchtest du wieder werden, ich soll dich nicht einrosten lassen, soll dich mehr bewegen?

Gut gut, ist versprochen. Gleich morgen geht es los auf große Tour!

Was?

Lieber auf kleine Tour, aber heute, gleich heute!

 

Nicht einmischen

 

   „Es geht mich ja nichts an“, sagte meine Mutter, kurz nachdem wir uns auf dem Fußboden niedergelassen hatten, „aber warum hast du denn keine Möbel in deiner Wohnung?“

   Ich bin ganz ruhig, nichts kann mich erschüttern, ganz gelassen bin ich, flüsterte ich in Gedanken vor mich hin, während ich laut sage: „Ich finde es so bequem und man ist gezwungen aufrecht zu sitzen, oder man liegt halt. Sessel und Couch sind nicht für den menschlichen Körper geeignet.“

   „Ach, das ist doch Nonsens, neumodisches Gerede von einem Übergescheiten. Ich will mich ja nicht einmischen, aber ein bisschen gemütlicher könntest du es schon haben!“, konterte Mutter und streckte sich demonstrativ.

   Ich bin ganz ruhig, nichts kann mich erschüttern, ganz gelassen bin ich.

   „Aber ich habe dir doch gesagt, dass ich es bequem finde, und ich wohne schließlich hier.“

   „Ich misch mich ja nicht gerne ein, aber ich mache mir halt Gedanken, schließlich bist du mein Sohn. Du kannst natürlich machen, was du willst, aber eine Sitzecke würde sich dort in der Ecke nicht schlecht machen, oder!“, bohrte sie weiter und strahlte mich Zustimmung erheischend an.

   Ich bin ganz ruhig, nichts kann mich erschüttern, ganz gelassen bin ich.

   „Nun lass gut sein Mutter! So ist es besser für mich und billiger ist es auch“, wollte ich die Diskussion um meine Einrichtung abschließen. Die Chancen standen schlecht.

   „Na, das wird wohl auch der wahre Grund sein, denn bequem ist es überhaupt nicht. Da kriege ich gleich wieder meine Rückenschmerzen.“

   Ich bin ganz ruhig, nichts kann mich erschüttern, ganz gelassen bin ich.

   „Die Rückenschmerzen wirst du schon mitgebracht haben oder du hast sie gekriegt, weil du dich so aufregst. Also, denk an deine Gesundheit, schone deine Nerven und damit auch deinen Rücken“, versuchte ich sie auf ein anderes Gleis zu bringen, was ich besser hätte lassen sollen.

   „Das ist doch Quatsch, die Ärzte sagen mir auch so was, wenn sie nicht weiter wissen“, wetterte sie los. Ich machte mich auf eine lange Gesundheitsdebatte gefasst, aber Mutter hatte sich an meiner Einrichtung fest gebissen und war noch nicht gewillt loszulassen.

   „Doch sag mal“, schlich sie sich an „warum hast du denn auf dem kleinen Bänkchen keine Blumen zu stehn? Ich würde da Blumen drauf stellen! Das würde doch gut aussehen, meinst du nicht auch?“

   Ich bin ganz ruhig, nichts kann mich erschüttern, ganz gelassen bin ich.

   „Das meine ich ganz und gar nicht! Es ist nämlich meine Meditationsbank, und ich habe keine Lust, andauernd die Blumen runter und nach der Meditation wieder rauf zu stellen.“

   „Meditation!“, erwiderte meine Mutter, als ob sie gerade ein ekeliges Insekt auf der Zunge hätte. „Das ist doch auch wieder so ein neumodischer Kram; wozu soll das schon gut sein?“

   „Oh Mutter, Menschen meditieren schon seit Tausenden von Jahren“, konterte ich, während mein Geduldsfaden das hohe ‘C’ spielte. Zur Demonstration ließ ich mich auf der Meditationsbank nieder und nahm die korrekte Haltung ein. „Sie tun das, um sich zu entspannen.

Sie werden dann ganz ruhig, nichts kann sie erschüttern, ganz gelassen sind sie.“

Ich war schon weit weg, als ich noch einmal, aber nur ganz leise vernahm:

   „Ich will mich ja nicht einmischen, aber...“

   

                                                                TAI  CHI

 

Tai Chi

 Harmonie ohne Gleichen

 sanft     wie        das      Wasser

 und      stark      wie      der      Wind

 ein    Tanz    mit    Himmel     und    Erde

 so    weich     und     so     fließend

 schwingen Kreise und Bögen

 Harmonie ohne Gleichen

 Tai Chi

 

Wind

 

Hallo Wind!

 Woher kommst du, wohin gehst du?

 He du, Meerrauscher, Blätterraschler, Streichelhand!

Bist aber sanft heute!

 Hui, du lässt mich ja aufstehen!

 Damit du mich besser küssen kannst?

 He du, Wind!

 Ich mag deine Küsse, bitte lass nichts aus!

 

Tod

 

Ich stehe in einer Scheune und beobachte Sonnenstrahlen, die sich durch Mauerritzen zwängen.

Sie fallen auf ein Spinnennetz, in dem eine Fliege zappelt, die wohl weiß, was die Stunde geschlagen hat.

Da muss ich an Fische denken, ebenfalls in einem Netz, ebenfalls den Tod vor Augen.

Die Spinne ist da und verrichtet ihr Werk mit der gleichen Ruhe, wie meine Großmutter Wolle verstrickt. Auch die Fischer sind ruhig, wenn sie das Netz mit rhythmischen Bewegungen ins Boot ziehen.

Der Tod scheint nichts Besonderes zu sein, also sehe ich mir lieber die Sonnenstrahlen an.

 

Hass

 

Ich hasse dich, du verdammter Heiliger!

Ich hasse dich, hasse dich, du Mustersohn von Nebenan!

Lässt nie auf dich warten, bist immer zur Stelle, immer griffbereit, damit dich meine Mutter auf mein Brot schmieren kann.

    „Nimm dir doch an Nachbars Jungen ein Beispiel!“

Oh, wie ich dann an dir zu würgen habe, du Mustersohn von Nebenan!

Verdammter Heiliger, ich hasse dich!

Hasse dich!

 

Es flennt schon wieder

 

Nun renn nicht gleich hin, wenn es mal heult.

Gib ihm die Chance zu kämpfen oder im eigenen Geheul zu ersaufen.

Gib ihm die Chance, stark zu werden.

Die Chance, es zu besiegen, ganz allein, das Flennen bei jedem Furz.

 

Gelb

 

Denk ich an Gelb, kommt mir in den Sinn, dass es sehr Verschiedene gibt.

So hat das schmutzige, ausgeblichene Gelb eines alten Löwenfells doch gar nichts gemein mit dem zarten Gelb eines Zitronenfalters, das mich auch ein wenig an Grün denken lässt.

Er sieht anders aus, der lange, gelbe Faserstift aus Plastik als die langen, gelben Sonnenstrahlen, die eine Kinderhand der grinsenden Sonne verpasst.

Fahles, funzliges Gelb einer Glühbirne fällt auf frisches, weiches Kiefernholz, dessen Duft sein wahres Gelb erahnen lässt.

Satt und kräftig ist das Gelb einer Löwenzahnblüte, die noch nicht zur Pusteblume geworden ist. Aber noch satter und wieder etwas anders leuchtet mir ein weiß gerahmtes Eigelb aus der Pfanne entgegen.

Ja wahrlich, gelb ist nicht gleich gelb!

 

Träume

 

In meinen schlimmsten Alpträumen bin ich ein Fabrikarbeiter, der früh um 5 Uhr einen

penetranten Wecker klingeln hört, dann, um ja nicht zu spät zu kommen, zur Stechuhr eilt, den ganzen Tag am Fließband steht und Teile zusammen schraubt, beim Klang der Sirene zur Pause eilt, blöd vor sich hin glotzend Stullen mampft, umgeben von ebenso stumpfsinnigen Arbeitstieren, die sich in vulgären Sextiraden ergehen.

In den freien Stunden sitzt er dann gefesselt auf einem harten Stuhl und muss stundenlang ‘Dallas Nonstop’ über sich ergehen lassen, bis er irgendwann ins Bett fällt, um auf den Wecker zu warten.

 

In meinen schönsten Träumen bin ich ein Magier, der ohne Hilfsmittel fliegen kann, in einem tollen Bus mit einer Supershow durch die Welt reist, und dabei an seiner Seite eine tolle Frau hat, die ein guter Kumpel und ein Orkan im Bett ist.

Beide stehen auf der Bühne, um sich die Seele aus dem Leib zu spielen, und die Leute klatschen und rufen: „Bravo!"

Irgendwann fällt er ins Bett, um diesen Traum noch einmal zu träumen.

 

Manchmal

 

Manchmal möchte ich in Marmelade matschen, und manchmal möchte ich eine Maus sein, die den Müller beim Mehl Mahlen erschreckt.

Manchmal möchte ich auch noch mal meinen Maxel murkeln, den mir Mama einst schenkte.

Heute sage ich zu Mama Mutter, Maxel Mayer, der alte Teddy lebt nicht mehr und Marmelade schmiere ich brav aufs Brot, aber manchmal, ja manchmal...

 

Vielleicht

 

Es ist doch egal, worüber ich schreibe.

So denke ich und starre aufs leere Blatt.

Vielleicht sollte ich über Pferde schreiben, vielleicht lieber über Kühe, über einen Ofen könnte ich vielleicht schreiben.

Warum nicht!

Jawohl, ich werde über einen Ofen schreiben, der seine Klappe hält, vielleicht noch heute.

Vielleicht gibt es aber was ganz Hässliches, über das ich sofort schreiben muss, oder was sehr Schönes.

Der Ofen muss noch warten oder vielleicht doch nicht.

Immer, wenn ich denke, dass es völlig egal ist, worüber ich schreibe, bleibt das Papier leer.

 

Liebe

 

Fürsorglich umsorgt dir Mutter ihr Kleines.

Ihre Fittiche spenden Geborgenheit und wohlig warm ist ihr Bauch. Das Kind schmiegt sich an ihn und schaut auf zur Mutter.

In ihrem Gesicht sieht es: Nur Gutes wird sie mir geben, Nahrung, Zärtlichkeit, Wärme, alle Fürsorge dieser Welt.

 

Den Schwur halten

 

Alles tanzt, löst sich auf und verändert sich.

Wo soll ein Schwur da seinen Halt finden?

Mit seiner schweren Kette bindet er Freude und Leichtigkeit.

Er fühlt sich nicht wohl in Bewegung, Kreislauf, Dynamik und Tanz.

Im Rhythmus der Musik schwingen die Strukturen und wandeln sich.

Wo soll der Schwur da seinen Halt finden?

 

Dämon Angst

 

Einem Adler gleich thront er über allem.

Seine Befehle sind unerbittlich und er kennt keine Gnade.

Wenn die Menschen von ihm träumen, fühlen sie sich winzig und seinem schrecklichen Schnabel ausgeliefert. Hilflos klammern sie sich aneinander und stützen sich.

Die Gefahr ist immer gegenwärtig.

Seine mächtigen Augen sehen alles, und mit seinen spitzen Krallen kommt er in jeden Winkel.

Und doch ist nichts an ihm dran, ist halt nur ein Dämon.